Raum 5: Die Reichspogromnacht in Schleswig-Holstein
Pestalozzischule 
 
Raum 1: 
Juden in Neumünster
Raum 2:   
Das Jahr 1933
Raum 3:  Judenboykott
Raum 4:  Zeitungsarchiv
Raum 5:  Pogromnacht
Raum 5a:  
   Interview
Raum 6:  
Verbleib und Schicksale
Raum 7: Geschichten und Bilder
Raum 8: 
Verletzung der Menschenrechte
Raum 9: 
Neonazis in Neumünster
Raum 10: 
Interessante Links in Schleswig - Holstein ...
 
 

 
 
 

 
 
  
Den Juden wurden durch die Nazis immer mehr Rechte entzogen. Aber es ging noch weiter. Die Reichspogromnacht machte nun auch den letzten Juden klar, dass die Nazis noch viel Schlimmeres mit ihnen vor hatten. 
  
 
(Die Reichspogromnacht früher: Bild von Christoph Meyhöfer, Klasse 9b
siehe auch Bild "Pogromnacht heute")
 
 
"Unserer Meinung nach hätte dieses große Morden nicht stattfinden dürfen. So viele Menschen wurden getötet - nur weil ein 17jähriger Junge den Delegationssekretär erschossen hatte."  
Jessica Reimers - Nicole Himmelreich - Irina Oliger - Corinne Mevius (Klasse 9a)  
 
 
Die Reichspogromnacht   

Anlaß für die Reichkristallnacht war die Tat eines 17jährigen polnischen Juden,  Herschel Gryspan, der am 7. November 1938 den Delegationssekretär Ernst von Rath in der Deutschen Botschaft in Paris mit mehreren Schüssen niederstreckte. Diese Tat war für die Nationalsozialisten ein willkommener Anlass, um einen schon lange vorbereiteten vernichtenden Schlag gegen das verhasste Judentum in die Wege zu leiten.  
Am 9. November erlag der Delegationssekretär seinen Verletzungen. Zu diesen Zeitpunkt feierten gerade die „Alten Kämpfer“, zu denen Adolf Hitler gehörte, in München die Erinnerung an den traditionellen Marsch zur Feldherrnhalle im Jahre 1923. Als Hitler über den Tod des Mannes erfuhr, sprach er längere Zeit mit Goebbels und verließ dann die Versammlung. In einer  antisemitischen Hasstirade forderte Goebbels dann Vergeltung und Rache. Die Rede wurde ,wie beabsichtigt, als indirekte Aufforderung zum Handeln verstanden. Die Partei- und SA Funktionäre wiesen ihre Gruppierungen in den ihnen unterstehenden Bereichen an, den Pogrom in die Wege zu leiten. Am 11.November wurde die Aktion gestartet. An einem Abend wurden 7500 Geschäfte zerstört. Der Schaden der zertrümmerten Glasscheiben betrug ca. 10 Millionen DM. An diesem Abend wurden von deutschen - in Zivil gekleideten - Soldaten alle Synagogen der Juden angezündet. Die Feuerwehr hatte den Auftrag die Synagogen abbrennen zu lassen. 

  
 
(Bilder von brenndenden Synagogen in Deutschland 1938)
 
 
Der befohlene Pogrom 
So lautete der Befehl: 
„Sämtliche jüdische Geschäfte sind sofort von SA-Männern in Uniform zu zerstören.  Nach der Zerstörung hat eine SA-Wache aufzuziehen, die dafür zu sorgen hat, dass keinerlei Wertgegenstände entwendet werden können. 
Jüdische Synagogen sind sofort in Brand gesteckt, jüdische Symbole sind sichergestellt. Die Feuerwehr durfte nicht eingreifen. Nur Wohnhäuser arischer Deutscher und jüdische anliegende Wohnhäuser sind von der Feuerwehr zu schützen. Allerdings müssen die Juden raus, weil in den nächsten Tagen Arier einziehen werden.“ 

Die Polizei durfte nicht eingreifen, weil der Führer das wünschte.  

„Die Feststellung der jüdischen Geschäfte, Lager und Lagerhäuser hat im Einvernehmen mit den zuständigen Oberbürgermeistern und Bürgermeistern zu erfolgen, gleichfalls das ambulante Gewerbe. An den zerstörten jüdischen Geschäften, Synagogen usw. sind Schilder anzubringen, mit etwa folgendem Text:“ 

  
„Rache für Mord an vom Rath.
Tod dem internationalen Judentum.
Keine Verständigung mit den Völkern,
die judenhörig sind.“
  

Kommentar 

Ich finde das alles schrecklich, was früher geschah.  Juden  hatten  gar nichts und sie durften auch gar nichts. Ich bin  froh, dass ich früher nicht gelebt hatte.          

Irina Oliger, Jessica Reimers und Nicole Himmelreich, Klasse 9a 

 
 
  

Die Pogromnacht in Neumünster
 
In Neumünster gab es keine Synagogen - man traf sich zum Gebet in Privatwohnungen oder fuhr nach Segeberg. Daher konnten die Nazis hier wohl auch nichts in Brand stecken. 
Es wurden aber auch vier Juden in Neumünster verhaftet. Bevor sie ins Gefängnis und anschließend ebenfalls nach Sachsenhausen gebracht wurden, mussten sie mit Schildern um den Hals durch die Straßen ziehen. Auf den Schildern war zu lesen:
 

"Wir sind das auserwählte Volk, wir werden jetzt das Arbeiten lernen!"
 
Von Schaulustigen und ihren Antreibern wurden sie verspottet und verhöhnt. 
So könnte es auch in Neumünster ausgesehen haben:
 

In der Folge wurden auch in Neumünster die Juden vertrieben. Ihre Geschäfte mussten sie verkaufen und sie wurden in die KZ Lager getrieben, wo sie ermordet wurden. (siehe auch Raum 6) Selbst jüdische Friedhöfe wurden von der SA zerstört. Etwa 150000 Deutsche Juden verließen 1938/39 ihre Heimat.  
Man weiß heute nicht genau, wie viele Neumünsteraner Juden in die Konzentrationslagern kamen, weil es keine Zeitungsartikel darüber im Archiv gibt. In Neumünster selbst gab es  keine Vernichtungslager. Viele wurden in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg gebracht und dort ermordet. 
 
Wie gingen die Nazis in Schleswig-Holstein vor?  
    
Die Pogrome  in Schleswig-Holstein  

Der Gauleiter Hinrichs Lohse und der SA-Führer der Gruppe Nordmark, Mayer-Quade, waren der Ansicht, dass die ganzen Juden aus Deutschland und Schleswig-Holstein vertrieben werden sollten, weil ein Jude einen deutschen Diplomaten in Holland erschossen hatte.  
Sie benachrichtigten die örtliche NSDAP am 9. November, daß eine Aktion gegen die Juden notwendig sei. Sie planten nicht lange und sagten einfach, bis morgen früh um fünf Uhr muss die Aktion vorbei sein. Einige SA-Leute fuhren nach Kappeln, um gegen eine dort wohnende jüdische Familie vorzugehen, andere gaben einem im Satrup wohnenden SA-Mann telefonisch den Auftrag, einen Gemischtwarenladen in Satrup, der einem Juden gehörte, zu demolieren und den Besitzer festzunehmen. Bei der Polizei wurden Listen eingerichtet über die jüdischen Geschäfte und Privatwohnungen in einer Stadt. In Elmshorn, Friedrichstadt, Kiel, Lübeck und Rendsburg ging man zunächst zu den Synagogen. In Neumünster gab es keine Synagoge. Die Innenausrichtungen und die Kultgegenstände wurden zerschlagen und dann ebenfalls verbrannt. Die Feuerwehr erhielt dabei den Auftrag, die Brände selbst nicht zu löschen, sondern nur das Übergreifen auf andere Häuser zu verhindern. Am nächsten Morgen wurden viele jüdische Männer aus verschiedenen schleswig-holsteinischen Städten in das Konzentrationslager Oranienburg gebracht, aus dem sie dann erst im Laufe der nächsten Wochen zurückkehrten. „Der indirekte Aufruf zur Gewalt hatte sich in direkte Gewalt umgesetzt.“  

Lest Euch auch Thorstens Interview zur Reichpogromnacht in Schleswig-Holstein durch! 

  
 
 
Reichspogromnacht in einer norddeutschen Stadt: Das Beispiel Kiel  
 
Da wir über Neumünster kaum Informationen finden konnten, haben wir uns erkundigt, was in dieser Nacht in der Stadt Kiel geschah:   

In Kiel hatte die Aktionsgruppe, bestehend aus Parteimitgliedern, SA und SS,  über  
die einzelnen Maßnahmen beraten und beschlossen, gegen zwei bekannte Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die Geschäftsleute Lask und Leven, auch tätlich vorzugehen.  
Lask gehörte dem Vorstand der jüdischen Gemeinde an und war außerdem Vorsitzender der Kieler Ortsgruppe des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten. In einem späten Bericht der SA zu den Vorgängen am 9/10 November 1938 hieß es dazu:  
"In der spontanen Erregung über die jüdische Mordtat war man der Meinung, dass Blut mit Blut bezahlt werden müsse und dass für den ermordeten Parteigenossen von Rath mindestens zwei Juden aus Kiel mit dem Tode zu büßen hätten.“  
Es waren das der Lask und Leven. Beide sollten verhaftet und bei der geringsten Regung erschossen werden .  
Leven: „Um 3 Uhr dreißig (am Morgen des 10. November) wurde ich wach, als an meine Haustür geklopft wurde . Ich ließ sechs SS-Männer herein, die mir befahlen , mit ihnen zu kommen , nachdem ich mich angezogen hatte. Ich zog mich an; sie schlugen mir mit ihren Pistolen auf den Kopf und stießen mich die Treppe hinunter.  
Ich ging mit ihnen bis an die Moltkestraße, wo sie mich aufforderten zu laufen . Ich weigerte mich aber. Ich ging etwa (3 Meter) vor diesen Rowdys, und plötzlich schossen sie mit ihren Pistolen auf mich. Ich wurde durch drei Schüsse verletzt, und sie ließen mich in der Annahme, ich sei tot, auf dem Pflaster liegen."  
Lask schilderte später den Tathergang bei seiner Verhaftung in ähnlicher Art und Weise. Auch auf ihn wurde geschossen, und auch er wurde schwer verletzt. Die Hilfsleistung durch einen Krankenwagen wurde nach seiner Aussage absichtlich verhindert. Beide, Leven und Lask, wurden in der Chirurgie in Kiel behandelt und nach einigen Wochen entlassen. Beide konnten in das Ausland emigrieren.  
Es gab also nicht nur die Gewalt gegen Sachen, sondern auch Gewalt gegen Personen, die bis hin zu Mordversuchen gehen konnten. In einer Rechnung von Blut um Blut wurde das Leben völlig Unschuldiger schwer beschädigt.  
Der zeitliche Beginn und der Ablauf der Gewaltaktion in Schleswig-Holstein lassen den Schluss zu, dass die Rede von Goebbels und die anschließende Befehlsausgabe der SA von München aus das auslösende Moment gewesen sind. Es handelt sich also nicht um einen Vorgang, an dem die breite Bevölkerung aktiv beteiligt war, sondern um ein gelenktes Vorgehen in den frühen Morgenstunden des 10. November 1938, das von SA, SS und Gestapo durchgeführt wurde.  
Am Morgen des 10. November 1938 bot sich den Bewohnern vieler schleswig-holsteinischer Städte ein erschreckendes Bild: Die Synagoge zerstört und ausgebrannt, die Scheiben und die Einrichtungen der Geschäfte zerschlagen und die Ware teilweise auf der Straße, die männlichen Juden verhaftet und abtransportiert, die Familien verängstigt und voller Sorge. Die jüdischen Gemeinden und die Geschäftsinhaber wurden aufgefordert, selbst aufzuräumen und die gröbsten Schäden zu beseitigen oder zu verdecken. Die von den Versicherungen für die Schäden erstatten Beträge wurden durch das Reich eingezogen und außerdem den Juden deutscher Staatsangehörigkeit eine "Sühneleistung" von 1 Milliarde Mark auferlegt.  
(Quelle: Landeszentrale für Politische Bildung Schleswig-Holstein (Hrsg.): Gegenwartsfragen 58 - Die Juden in Schleswig-Holstein. Kiel 1988.)  
Marc Knöttig und Marco Piklor, Klasse 9a  
 

 
(So könnten die Nazis die Scheiben von jüdischen Geschäften in Kiel beschmiert haben)
Lest Euch auch Thorstens Interview zur Reichpogromnacht in Schleswig-Holstein durch!
Der Nachkriegsprozess  
  
 
Viele der Übeltäter, die in der Reichspogromnacht „zuschlugen“ kamen ohne Strafen davon. Andere wurden aber noch nach dem Krieg zur Verantwortung herangezogen.  

Erich Gerhardt wurde beispielsweise 1947 zu fünf Jahre Zuchthaus verurteilt, weil er einen jüdischen Kaufmann verhaftet und nur mit Unterhose und Jacke durch die Stadt trieb und dabei eine Pistole anwendete.  
Noch im selben Jahr wurde ein anderer Angeklagter mit drei Monaten Gefängnis bestraft. Zwei weitere angestrengte Verfahren wurden eingestellt, weil der Angeklagte - Oberpräsident Lohse - behauptete, er wäre in der betreffenden Nacht nicht in Kiel gewesen sei, er hätte angeblich erst später davon erfahren.  

Jessica, Irina und Nicole, Klasse 9a 

 
Über die Pogromnacht in Schleswig-Holstein findet ihr auch auf den Seiten von Herrn Uwe Danker  (Die Reichskristallnacht am 9./10. November 1938 in Schleswig-Holstein ) noch viele weitere Informationen.
Meine eigene Meinung:   
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich so etwas in der gleichen Form mit den Juden noch einmal in Schleswig-Holstein wiederholen könnte. Jedoch bin ich der Meinung, dass vielleicht viele Menschen in ähnlicher Form gegen die Türken und andere Ausländer in Neumünster vorgehen könnten.   
Marco Piklor, Klasse 9a  

Eine Reichspogromnacht kann ich mir heute nicht vorstellen, weil heute viele Freundschaften mit Ausländern und mit Andersgläubigen geschlossen werden. Heute löst man solche Konflikte, wie z.B. Judenboykott mit Aussprechen oder über die Politik.  
Mariusz Michalak, Klasse 9a 

 
 
 


updated by Uta Hartwig, 18.02.15