Raum 2: Das Jahr 1933 in Neumünster
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Wir (SEDEF, NURSEL,MARCO und MARC) sind am 01. 10. 1998 zum Archiv in Neumünster (Großflecken 68) gegangen, weil wir mehr über dieses Thema wissen wollten. Wir haben uns bei Herrn Thiede erkundigt über die Zeit APRIL 1933 (Judenboykott) und über die Zeit 10.11. bis 11.11.1938 (Reichskristallnacht). 
Herr Thiede hat uns alte Zeitungen von dem Holsteinischen Courier zur Verfügung gestellt. Wir haben uns zuerst über die "Reichskristallnacht" informiert. Leider haben wir darüber keine Informationen in dem Archiv Neumünster gefunden.   
Zum Stichwort „ Judenboykott“ haben wir dann eine Menge an Informationen erhalten. Aber eigentlich fing der Schrecken schon früher an, wie man hier nachlesen kann. Doch leider haben viele Juden die Zeichen der Zeit unterschätzt.
 
Holsteinische Courier vom 27. März 1933  
Schwere Sachbeschädigung in der "Kadepa"     
Das am Großflecken gelegene so genannte Einheitspreisgeschäft "Kadepa", das bekanntlich seit einiger Zeit aufgrund sicherheitspolizeilicher Maßnahme geschlossen bleiben musste, hatte am gestrigen Montag erstmalig seinen Betrieb in vollem Umfang wieder aufgenommen. Während des Tages waren nicht die geringsten Zwischenfälle zu verzeichnen; der Verlauf erlitt keinerlei Störungen. In vorgerückter Nachmittagsstunde gewahrte man vor der "Kadepa", insbesondere in der gegenüberliegende Allee aber größere Menschenansammlungen, bei denen jugendliche Elemente stark in die Erscheinung traten. Etwa eine Viertelstunde vor Geschäftsschluss, als der große Verkaufsraum gedrängt voller Menschen war, kam es an einer Stelle zwischen so genannten Halbstarken zu einer Schlägerei, wobei die Gegner mit Handstöcken aufeinander losgingen. Das Publikum bemächtigte sich einer starken Unruhe, die sich zur Panik steigerte, da alles dem Ausgang zustrebte und dabei rücksichtslos vorging. Es entstand ein wüster Tumult, der dazu führte, dass die Waren von den Ladentischen gerissen, Gegenstände umgeworfen und viele Wertsachen zerbrochen oder zertrampelt wurden. Von dem nahe gelegenen Rathaus waren Polizeibeamte und zahlreiche Mannschaften der Hilfspolizei schnell zur Stelle, konnte aber Sachbeschädigung innerhalb des Verkaufsraumes nicht mehr verhindern. Das Ganze war das Werk weniger Augenblicke gewesen. Wie von Tatzeugen berichtet wird, sollen auch Tränengasbomben geworfen worden sein. Von anderer Seite wird das bestritten. Im Laufe des Tumults gingen außerdem vier große Schaufenster in Trümmer, darunter zwei der sehr teuren, halbrunden Scheiben zu beiden Seiten des Eingangs. Nach dem Vorfall kam es zu starken Menschenansammlungen auf dem jüdischen Teil des Großfleckens. Von einer größeren Abteilung von SS-Leuten und Stahlhelmen wurde die Ruhe und Ordnung wieder hergestellt. Zwei Personen wurden festgenommen. Einer der Verhafteten versuchte durch die Flucht zu entkommen, wurde aber von Stahlhelmen eingeholt und zur Wache gebracht. Noch längere Zeit nach dem Vorfall kam es an verschiedenen Stellen im Zentrum der Stadt zu größeren Versammlungen, die aber einen durchaus friedlichen Charakter hatten und durch Mannschaften der Hilfspolizei leicht zerstreut werden konnte. Der amtliche Bericht besagt folgendes:   
"Gestern gegen 18.30 Uhr kam es in dem Einheitspreisgeschäft Kapeda am Großflecken zu Reibereien zwischen einigen jungen Leuten, die in eine Schlägerei ausartete, wobei Tränengas Verwendung fand. In dem Laden entstand ein geringer Schaden. Bei der auf der Straße sich fortsetzende Schlägerei wurden vier Ladenscheiben zertrümmert. Die Schuldfrage ist noch nicht geklärt. Die Polizei war mit starken Kräften sofort zur Stelle und verstreute die Ansammlung."   
Wegen der gestrigen Vorkommnisse hat die Polizeibehörde das Geschäft "Kapeda" aus sicherheitspolizeilichen Gründen wieder geschlossen. 
 
Einige Juden beugten sich der Gewalt schnell und hofften, dass diese schlimme Zeit schnell vorübergehen würde. Andere widersetzten sich und wollten ihr Recht.   
Aber nur wer Deutschland auf dem schnellsten Weg verließ, konnte die Zeit bis 1945 überleben. Doch das wusste man zu diesem Zeitpunkt noch nicht - auch nicht in Neumünster. 
 
 
In Neumünster gab es 1933 noch mehrere Geschäfte, die von Juden geführt wurden. 
Die meisten Geschäft gaben dem folgenden ständigen Druck schnell nach und verkauften an Deutsche. Lediglich das Einzelhandelshaus "Kadepa" widersetzte sich relativ lange (siehe "Raum 4 -  Zeitungsarchiv"). Dabei wurden immer wieder Fenster eingeschlagen und kostbare Dinge zerstört.
 
Die Lage wurde auch in Neumünster von den Juden falsch eingeschätzt:  
Am 23. Juli 1933 predigte Oberrabiner Dr. Joseph Carlebach in einer Privatwohnung in Neumünster und drückte seine Hoffnung aus, dass die "Gespenster der Nacht" sich "beschämt in ihre Schlupfwinkel zurückziehen würden." Er hatte sich getäuscht. Zusammen mit seiner Frau und seinen drei jüngsten Töchtern wurde er im März 1942 im Lager von Riga erschossen. Eine Tochter überlebte: Miriam Gillis-Carlebach, die zweite Herausgeberin des Buches "Menora und Hakenkreuz" aus dem Wachholtz Verlag. Heute lebt sie in Israel. 
 
 
 
 
 


updated by Uta Hartwig, 18.02.15