Das Aquarell "Anne und Margot Frank in Aachen, 1933"

für Gertrud Trenz-Naumann aus Frankfurt am Main
(Hommage an die erste Freundin der Schwestern Margot und Anne Frank) 
 

 

  

 

Mein Aquarell "Anne und Margot Frank in Aachen, 1933" ist im Dezember 1998 für die erste Freundin der Schwestern Margot und Anne Frank entstanden. Es handelt sich um Gertrud Naumann, die heutige Frau Trenz, die nach wie vor in Frankfurt am Main lebt. Auf diesen Gedanken bin ich Ende 1998 gekommen, nachdem ich die Biografie "Das Mädchen Anne Frank" von Melissa Müller gelesen habe. Sehr inspiriert und unter Eindruck stehend, nehme ich mit Frau Gertrud Trenz unmittelbar Kontakt auf, um ihr mitzuteilen, dass ich für sie eine auf Margot und Anne Frank bezogene Impression erarbeiten will.-- Bereits Ernst Schnabel hat Gertrud Naumann in seiner 1958 publizierten Dokumentation "Anne Frank - Spur eines Kindes" liebevoll gewürdigt. 

Die Lehrertochter Gertrud Naumann wird am 28. März 1917 als Jüngste von sechs Geschwistern in Frankfurt am Main geboren. Sie verlebt in einem katholisch geprägten Elternhaus eine unbeschwerte Jugendzeit. Die Familie wohnt am Marbachweg. Gertrud ist aufgeschlossen und pflegt rege Kontakte mit allen Kindern aus der Nachbarschaft. Erhalten gebliebene Fotos zeigen das fröhliche Mädchen mit dem lieben Gesicht und den langen dicken Zöpfen meistens inmitten einer großen Kinderschar. Gertrud ist vernarrt in Kinder und sorgt sich besonders um alle Kleinen. Sie kann an keinem Kinderwagen vorbeigehen, ohne zuvor hingerissen und fasziniert hineingeschaut zu haben. 

Als die jüdische Familie Frank im Jahre 1927 in den Marbachweg zieht, schließt Gertrud Naumann schnell mit den neuen Nachbarn Freundschaft, denn dort gibt es die einjährige Tochter Margot. Durch die Kinder lernen sich die Familien Naumann und Frank näher kennen. Das zunächst zuverlässige nachbarschaftliche Verhältnis entwickelt sich zu einer intensiven Freundschaft. Die geselligen Familien laden sich gegenseitig zu unterschiedlichen Anlässen ein. 

 

 

(c) Gertrud Naumann und Margot Frank
in Frankfurt am Main, um 1930

 

Anfang der Dreißiger Jahre macht sich auch in Frankfurt am Main der politische Zeitgeist bemerkbar. Dass die Franks Juden sind, stört die Naumanns jedoch nicht. Die Familien behandeln sich gegenseitig uneingeschränkt souverän und freundschaftlich. Als Gertrud ihre Erste Heilige Kommunion begeht, bleibt die kleine Margot bei den Festlichkeiten selbstverständlich nicht uneingeladen. Umgekehrt ist auch Gertrud oft Gast bei der Familie Frank. Die Franks sind liberale Juden. ---

Gertrud liebt die kleine Margot Frank mit den "riesengroßen schwarzen Kulleraugen"1. Sie spielt mit Margot und nimmt sich ihrer gewissenhaft an, wann immer es ihr möglich ist.

 

 

"Margot Frank, geboren am 16. Februar 1926 in Frankfurt am Main"
(c) Aquarell von Heide Kramer, Hannover

 

Bald gibt es Fotos mit Gertrud, Margot, Frau Frank und anderen Nachbarskindern, die der häufig fotografierende Vater Frank aufgenommen hat. Hin und wieder ist da auch Bernhard Elias zu sehen. Bernhard, der etwas ältere Cousin von Margot, wird 'Buddy' genannt. Seine Mutter ist die Schwester von Margots Vater. Der Familie Elias wird rechtzeitig die Emigration in die Schweiz gelingen.   

Frau Edith Frank hat schließlich so viel Vertrauen zu Gertrud, dass sie das Mädchen mitunter bittet, auf Margot zu achten, wenn Besorgungen zu erledigen sind und die Kleine nicht mitgenommen werden kann. Allmählich gehört Gertrud zur Familie und ist "Kind im Hause"2 der Franks. Sie erfährt dort viel Zuwendung und Großzügigkeit. 

Im Juni 1929 bekommt die dreijährige Margot eine kleine Schwester Annelies, die später Anne genannt wird. Für die nun 12-jährige Gertrud ist das ein weiterer Grund, sich noch näher an die Franks anzuschließen. Das Baby ist ferner 'die Sensation' bei allen anderen Nachbarskindern vom Marbachweg. Vater Frank lässt neue Fotos entstehen: Baby Anne im Arm von Mutter Edith und Schwesterchen Margot als Mittelpunkt, von entzückten Nachbarskindern umringt, worunter sich auch Gertrud befindet. Alle bestaunen das neue Kind. Die Nachbarn mögen die Familie Frank. Gertrud erinnert sich an einen lustigen Vorfall. Als die bereits herangewachsene Anne Frank einmal zum Nachmittagskaffee bei Familie Naumann eingeladen ist, starrt sie unverwandt zu Herrn Naumann, um dann direkt über den Tisch zu ihm zu sagen: "Sie haben ja Katzenaugen!"3 -- Gertruds ältere Schwester Elisabeth ist eine geschickte Schneiderin. Weil auch sie die Kinder Frank liebt, näht sie für die kleinen Mädchen Margot und Anne Kleidchen. Sie sind bleu und aus einem seidigen Stoff4. 

Nachdem der Druck der Nazis auf die Juden zunimmt, verlässt der Kaufmann Otto Frank 1933 seine Heimatstadt Frankfurt am Main. Zunächst sucht er allein in Holland Arbeit und eine Bleibe für seine Familie. Er lässt sich in Amsterdam nieder und holt zu einem etwas späteren Zeitpunkt seine Angehörigen nach. Seine Ehefrau Edith zieht zunächst mit den Töchtern von Frankfurt in ihre Heimatstadt Aachen. Zu jenem Zeitpunkt befinden sich die siebenjährige Margot und die vierjährige Anne also auf der Durchreise und (noch) unter dem Schutz ihrer Aachener Oma (mütterlicherseits). Eine in Aachen entstandene Fotografie aus dem Jahre 1933 dokumentiert die Schwestern, bevor sie Deutschland verlassen müssen. Beide tragen die von Gertruds Schwester Elisabeth genähten Kleidchen. Diese Fotografie kenne ich aus auf Anne Frank bezogenen Büchern. Ich schließe das Foto so sehr ins Herz, dass ich es als Anregung für mein Aquarell auswähle. 

 

 

"Anne Frank, 1929 - 1945. Gemalt für meine liebe Frau Gertrud, Jugendfreundin von Anne und der Familie Frank"

 - Öl auf Buchenholz, 21 x 26 cm

Gemalt von (c)Herrn Karl Trenz, 1997

(c)Mit freundlicher Genehmigung von Frau und Herrn Trenz, Frankfurt am Main, 2002


Nach der Emigration der Franks in die Niederlande reißt der Kontakt der Familien Naumann und Frank auch die folgenden Jahre nicht ab. Das belegen zahlreiche Spuren: existente Postkarten von der gerade Schreiben lernenden Margot an Gertrud, später auch von Anne Briefchen, Geburtstagsglückwünsche oder einfach nur "Liebe Grüße an Gertrud. Deine Anne". Bis 1937 kann Otto Frank hin und wieder von Amsterdam nach Frankfurt reisen. Bei einem Besuch sagt er zu Gertrud während eines gemeinsamen Spazierganges unvermittelt: "Wenn wir jetzt so zusammen entdeckt würden, würden wir verhaftet werden". 5
Es wird für lange Zeit der letzte Aufenthalt Otto Franks in seiner Heimatstadt Frankfurt sein.

Den Aufruf zum Arbeitseinsatz für die 16-jährige Margot Frank nach Deutschland nimmt Herr Frank im Sommer 1942 zum Anlass, unverzüglich mit seiner Ehefrau und den Töchtern in das lange vorbereitete Amsterdamer Versteck Prinsengracht unterzutauchen. Hier verbleiben die Menschen mit noch weiteren vier Personen. Sie werden verraten, am 4. August 1944 verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt.

Am 27. Januar 1945 wird Otto Frank in Auschwitz durch die Rote Armee befreit. Er hat als einziger aus seiner Familie überlebt: seine Ehefrau Edith stirbt am 6. Januar 1945 in Auschwitz, seine Töchter Margot und Anne sterben im März 1945 in Bergen-Belsen. Als Otto Frank nach 1945 erstmals wieder in Frankfurt am Main ist, nimmt er sofort zu der dort verbliebenen Gertrud Naumann Kontakt auf. Vater Frank lernt hier ihren Verlobten Karl Trenz kennen, der vor kurzem aus der Gefangenschaft nach Frankfurt zurückgekehrt ist. Gertrud und Karl heiraten 1949 und bekommen drei Kinder. Otto Frank bleibt mit Gertrud und ihrer Familie bis zu seinem Tod im Jahre 1980 in enger freundschaftlicher Verbindung. Verleben Gertrud und Karl gemeinsam mit ihren Kindern Hildegard, Katharina und Bernhard die Ferien in der Schweiz, lassen sie es sich nicht nehmen, ihren "Papa Frank" und seine zweite Ehefrau Fritzi in Birsfelden zu besuchen. 

 

(c) Frau Gertrud und Herr Karl Trenz 1999

 

Innerhalb der letzten Jahre wurden Frau Gertrud und Herr Karl Trenz meine Freunde. Beide hoch betagt, als wichtige Zeitzeugen, unverändert voller Zuneigung "ihrer" Familie Frank gegenüber. Die Erfahrungen trugen für sie eine Menge bei.

Doch nun sind ihre Stimmen für immer verstummt. Gertrud starb am 1. Dezember 2002. Am 15. September 2003 ist ihr Karl gefolgt.

Die spürbare Wärme und Emotionen beider werden mir unvergessen bleiben. Ein großer Gewinn für mich, und ich bin dankbar dafür.

(Aktualisierte Fassung vom November 2003, (c)Heide Kramer, Hannover)



i
1 (c)Frau Gertrud Trenz)
2 (c)Frau Gertrud Trenz) alle Zitate
3 (c)Frau Gertrud Trenz)
4 (c)Frau Gertrud Trenz)
5 (c)Frau Gertrud Trenz
i (Aufgezeichnet von (c)Heide Kramer, D-Hannover, Dezember 2001)

 
(Texte mit freundlicher Genehmigung von Frau Heide Kramer)

(c) Mit freundlicher Genehmigung von Frau Gertrud Trenz, Frankfurt am Main

 

 

 


Zum Tod von Gertrud Naumann
Freundin der Familie von Anne Frank

Frankfurter Rundschau vom 7.12.2002

 

Von Heide Kramer

Am 1. Dezember ist Gertrud Naumann gestorben, eine der letzten lebenden Freundinnen der Familie von Anne Frank. Die Frankfurterin war zur wichtigen Zeitzeugin dieses Familienschicksals geworden, das durch das "Tagebuch der Anne Frank" Millionen von Menschen berührte. Gertrud Naumann ist 85 Jahre alt geworden.

Eindrucksvoll hat Ernst Schnabel 1958 in seiner Publikation "Anne Frank - Spur eines Kindes" Gertrud Naumann gewürdigt, die Zeit ihres Lebens immer wieder von Journalisten und Biografen befragt worden ist. Als jüngstes von sechs Geschwistern war die Lehrertochter am 28. März 1917 in Frankfurt geboren und in einem katholisch geprägten Elternhaus am Marbachweg aufgewachsen. 1927 zog die jüdische Familie Frank dorthin.

Die Bekanntschaft zu den Nachbarn entstand über Annes Schwester Margot. Zwischen den Familien Naumann und Frank wuchs eine intensive Freundschaft. Edith Frank bat die Nachbarstochter Gertrud mitunter, auf Margot zu achten. Das vertraute Miteinander stabilisierte sich nach der Geburt von Margots Schwester Annelies Marie am 12. Juni 1929, der späteren Autorin der "Tagebuchbriefe", geschrieben im Amsterdamer Hinterhaus-Versteck.

Auch nach der Machtübernahme der Nazis und der Emigration der Franks im Sommer 1933 in die Niederlande riss der Kontakt der Familien nicht ab. Bis 1937 war es Otto Frank möglich, gelegentlich von Amsterdam nach Frankfurt zu reisen. Bei einem dieser Besuche äußerte er zu Gertrud während eines Spaziergangs: "Wenn wir jetzt so zusammen entdeckt würden, würden wir verhaftet werden."

Nach seiner Befreiung aus Auschwitz durch die Rote Armee kam Otto Frank, der einzige Überlebende der Familie, 1945 nach Frankfurt und nahm sofort zu Gertrud Naumann Kontakt auf. Hier lernte er ihren Verlobten Karl kennen. Gertrud und Karl heirateten 1949 und bekamen drei Kinder. Bis zu seinem Tod 1980 blieben Gertrud und Karl sowie ihre Kinder mit dem in Basel lebenden Otto Frank in freundschaftlicher Verbindung. Ferienaufenthalte in der Schweiz verbanden sie mit Besuchen bei ihrem "Papa Frank".

 

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 06.12.2002 um 23:58:12 Uhr
Erscheinungsdatum 07.12.2002

 

 

Wer mehr über die Künstlerin und Freundin von Hannah Gosslar erfahren möchte, kann sich auch persönlich an Frau Kramer im Forum wenden.

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last updated on 08.02.06