(c) Heide Kramer, Januar 2003

 

Auf Spurensuche:

Die Schwestern Hannah Pick-Goslar und Rachel Mozes in Hannover, der Anne-Frank-Schule Bergen/Kreis Celle und der Gedenkstätte Bergen-Belsen
am 11./12. November 2002


 

 



Bergen-Belsen: Hannah und Rachel am Jüdischen Mahnmal.
(Foto: (c) Heide Kramer, 12. November 2002)

 


Stadtrundgang Hannover
 

Der im November 2001 in Berlin geäußerte Wunsch der Schwestern Hannah Pick-Goslar und Rachel Mozes für einen Hannover-Besuch hatte sich realisiert. Die Schwestern waren mit zwei Begleitpersonen in einem vom Anne-Frank-Zentrum Berlin organisierten Kleinbus bereits am Mittag des 10. November in Hannover eingetroffen. Die offizielle "Spurensuche" mit Blick auf den Vater (Hans Goslar) würde in Form eines "Hannover-Programms" tags darauf starten.

 

Am Morgen des 11. November fand ich die Gruppe im Hotel "Stella" (Hannover-Südstadt) in offensichtlich entspannter Stimmung am Frühstückstisch vor. Im Vergleich zum Berliner Treffen vom Vorjahr wirkte Rachel jetzt nahezu heiter und gelöst. In ihrer hintergründig-charmanten Art erzählte Hannah einige jüdische Witze. Bald darauf traf auch der erwartete Herr Dr. Schulze ein. Ich hatte ihn als Experten zur jüdischen Geschichte Hannovers kurz vorher für einen Hannover-Stadtgang und den Besuch des jüdischen Friedhofs "An der Strangriede" (Hannover-Nordstadt) gewinnen können. Sein Engagement richtet sich zudem auf die in Hannover vorhandenen drei jüdischen Friedhöfe. Für die Schwestern Pick-Goslar und Mozes ist dieser Friedhof äußerst authentisch, denn hier existieren zwei gut erhaltene Gräber aus ihrer Familie.

 
Im Einverständnis aller leitete Herr Dr. Schulze den Stadtgang mit einem Besuch im Neuen Rathaus Hannover ein. In der Rathaushalle sind vier Stadtmodelle zu sehen, die das Hannover des Mittelalters, der Vorkriegszeit, die Zerstörungen 1945 und die heutige Innenstadt präsentieren. An diesen vier Stadtmodellen erläuterte uns Herr Dr. Schulze eingehend die Entwicklung der hannoverschen (jüdischen) Geschichte bis zur Gegenwart und veranschaulichte anhand des (zeitgemäßen) hannoverschen Melderegisters an den jeweiligen Stadtmodellen die Entwicklung des seit 1870 in Hannover ansässigen Kaufmanns Gustav Goslar. Vor seiner Eheschließung wurde der Großvater der Schwestern Hannah und Rachel (Gustav Goslar) bis 1894 unter 11 nachvollziehbaren Adressen beim Einwohnermeldeamt in Hannover registriert. Zwischenzeitlich verheiratete sich Gustav Goslar, und 1889 wurde der Vater der Schwestern Hannah und Rachel (Hans Goslar) geboren. Bevor seine Eltern 1894 mit ihm nach Berlin übersiedelten, verlebte Hans Goslar seine ersten fünf Lebensjahre in Hannover.

 
Unser Reisebegleiter vom Anne-Frank-Zentrum Berlin fuhr uns im Anschluss an den Rathaus-Besuch mit dem Kleinbus zum ältesten jüdischen Friedhof in der Oberstraße (Nordstadt). Die Belegungszeit dieses Friedhofs wird mit den Daten ca. 1550 - 1864 dokumentiert. Er weist 726 Grabsteine auf, die Abschrift einer Namensliste erfolgte 1913 durch den Rabbiner Gronemann. Doch unser Augenmerk galt dem zweitältesten Friedhof "An der Strangriede 55" (Nordstadt), so verweilten wir nur kurz in der Oberstraße. Wir erreichten bald den Friedhof "An der Strangriede"; seine Belegungszeit verweist auf die Daten 1864 bis 1924 mit 2600 Grabsteinen.



Hannover-Nordstadt, Jüdischer Friedhof "An der Strangriede 55".
(Foto: (c) Heide Kramer, 11. November 2002)


Bei den für die Schwestern wichtigen Familiengräbern handelt es sich zum einen um die Grabstätte des Jakob Blumenfeld, dem Großvater von Hans Goslar. Jakob Blumenfeld starb 1878 in Hannover.




Hannah und Rachel am Grabstein von Jakob Blumenfeld
(Foto: (c) Heide Kramer, 11. November 2002)

 

Zum anderen gibt es das ebenfalls gut erhaltene Kindergrab von Elsa Blumenfeld, der Tante Hans Goslars; sie starb einjährig 1871. --- Diese Tatsachen belegen und begründen die Verwandtschaft von Hannah und Rachel.
 

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass Herr Dr. Schulze nicht allein den Schwestern Hannah und Rachel zur hannoverschen jüdischen Geschichte einschließlich hiesigen jüdisch-kulturellen Lebens auch auf dem Friedhof "An der Strangriede" wichtige facettenreiche Informationen vermittelt hat.
 

Nach der Friedhofsbegehung stand das Mittagessen im Jüdischen Gemeindezentrum in der Haeckelstraße 10 an. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde empfing die Gruppe und verband seine aufschlussreichen Hinweise mit einem intensiven Rundgang durch das Zentrum der Gemeinde. Herr Kune hatte sich meinem Vorschlag für einen angemessenen Empfang der Schwestern Goslar/Mozes aufgeschlossen gezeigt und war dieser Idee sehr offen entgegen gekommen.
  

 



Jüdische Gemeinde Hannover, Haeckelstr. 10. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Herr Klaus Kune im Gespräch mit den Schwestern Hannah Pick-Goslar und Rachel Mozes.
Mit im Bild: Ute Biedermann, Anne-Frank-Zentrum Berlin.
(Foto: (c) Heide Kramer, 11. November 2002)


Am Mittagessen in der Kantine des benachbarten jüdischen Seniorenzentrums beteiligte ich mich nicht. Ich eilte schnellstens nach Hause, um die Kaffee-Tafel vorzubereiten. Es wurde damit höchste Zeit, denn meine Gäste trafen bald ein. Leider verrann auch innerhalb unserer Entspannungsphase bei Kaffee, koscheren bzw. nicht koscheren Speisen und Gesprächen die Zeit mehr als schnell, was im Allgemeinen bedauernd registriert wurde.

 



Hannah und Rachel zu Gast bei Heide Kramer.
(Foto: Ute Biedermann, Anne-Frank-Zentrum Berlin, 11. November 2002)

 


 

Besuch der Anne-Frank-Schule in Bergen

 

Bevor es nach Celle weiter ging (dort sollte Quartier genommen werden), begrüßten die Schwestern wunschgemäß meine Mutter, die in meiner unmittelbaren Nachbarschaft ihr eigenes Domizil bewohnt; Hannah und Rachel hörten voller Interesse und Anteilnahme den Eigenberichten meiner fast 90-jährigen Mutter zu. Die Zeit drängte jedoch zum Aufbruch. Wie ich später erfuhr, wären die Schwestern gern länger geblieben.

Am 12. November reiste ich schon sehr früh nach Bergen/Kreis Celle zur Anne-Frank-Schule, um Hannahs Vortrag für die Kinder der Schule zu erleben. Der Vortrag war hin- und mitreißend. Die Schwestern saßen gemeinsam an einem Tisch, die Kinder standen im Banne der lebendig vorgetragenen Lebensberichte.

 


 Hannah und Rachel beim Vortrag in der Anne-Frank-Schule Bergen/Kreis Celle.
(Foto: (c) Heide Kramer, 12. November 2002)

 

Hannahs Leben bezieht ja das ihrer "kleinen" Schwester Rachel ein, was stets erneut zum Ausdruck kam. Dadurch wurde die enge Verbundenheit beider spürbar. Später sang Rachel für die Kinder hebräische Lieder, ein faszinierender Moment!
Inzwischen war auch ein Film-Team aus Berlin hinzu gekommen mit dem Ziel, das Geschehen auf eigene Weise zu dokumentieren.
Nach der Veranstaltung in der Anne-Frank-Schule in Bergen und der allgemeinen Autogramm-Vergabe an die Kinder wurden zahlreiche Fotoapparate gezückt und Fragen beantwortet.





Anne-Frank-Schule Bergen/Kreis Celle, Hannah nach der Veranstaltung.
(Foto: (c) Heide Kramer, 12. November 2002)


 

Da Hannah Pick-Goslar gerade an diesem 12. November ihren Geburtstag beging, blieben entsprechende Ovationen nicht aus. Auch Rachel wurde ähnlich bedacht, denn ihr Geburtstag (25. Oktober) lag noch nicht lange zurück.



Anne-Frank-Schule Bergen/Kreis Celle. Geburtstagsblumen für Hannah und Rachel.
(Foto: (c) Heide Kramer, 12. November 2002)


 

Gedenkstätte Bergen-Belsen
Schließlich begleiteten wir das Film-Team und die Schwestern zur Gedenkstätte Bergen-Belsen, wo sie von dem Leiter der Gedenkstätte Herrn Dr. Rahe gastlich in Empfang genommen wurden. Allein die Begehung des Geländes an sich war für Hannah und Rachel ein sehr persönlicher Moment.




Bergen-Belsen: Hannah und Rachel am Gedenkstein für Margot und Anne Frank.
(Foto: (c) Heide Kramer, 12. November 2002)


Am späteren Nachmittag fuhr ich wieder nach Hannover.
Hannah und Rachel reisten mit ihrem ‚Konvoi' weiter nach Berlin, denn auf beide wartete für die kommenden zwei Wochen in der Region des Landes Brandenburg (RAA Strausberg), ferner im Anne-Frank-Zentrum Berlin ein umfangreiches Programm.
Am 21. November 2002 kehrten die Schwestern nach Israel zurück.

(Aufgezeichnet von (c)Heide Kramer im Januar 2003;
Fotos: (c) Heide Kramer, 11./12. November 2002)
Wer mehr über die Künstlerin und Freundin von Hannah Goslar erfahren möchte, kann sich auch persönlich an Frau Kramer im Forum wenden.

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